a última verdade
: Wehrlose Wut

DAS WORT AUS DEUTSCHLAND: Ein Futschi für jede Beckmann-Phrase. Das hilft!

Wir haben es versucht. Mehrere Spiele hindurch haben wir stumm das ertragen, was die hauptberuflichen Dampfplauderer Kerner und Beckmann für Fußballkommentare ausgeben. Wenn wir uns in unser Schicksal ergäben, das ohnehin nicht zu ändern sei, hatten wir überlegt, ertrügen wir es leichter. Seit Sonnabend aber verzeichnet die Statistik meiner Fußballguckgemeinschaft (FGG) neben acht harmonischen Abendessen auch einen kollektiven Wutanfall. Vorbereitet wurde er von Reinhold „Heimsuchung“ Beckmann in der 50. Minute des bis dato aufregendsten EM-Spiels, der Partie Holland – Tschechien. „Nedved ist überall zu finden, wo es zur Sache geht“, schnatterte er, „ja, da trifft er auf den guten alten Kollegen Edgar Davids, hier die beiden. Viele Erfolge gefeiert zusammen bei Juve, bei der guten alten Dame des italienischen Fußballs, Nedved und Edgar Davids. DAS IST – schaunwermalrichtighin – ja, das ist Lothar Matthäus! Wollt mal richtig guten Fußball sehen, deshalb ist er hier vorbeigekommen!“

Meine gute alte FGG stöhnte auf. „Das Schlimmste ist, man kann sich nicht wehren“, seufzte Frau Awal. „Ah“, sagte Beckmann, „der Grandseigneur des tschechischen Fußballs, Karel Brückner, 64 Jahre alt, Pokerface, ein Fußballprofessor, der die klassische Musik liebt. Wenn man ihn so anguckt, so ’ne Mischung aus Leonard Bernstein und George Tabori, der da am Spielfeldrand steht …“

An dieser Stelle verloren wir zeitgleich die Contenance und brüllten wild durcheinander; so laut, dass unsere elfjährigen Mitglieder auf Probe verschreckt zusammenzuckten und Herr Tomaczek aus dem Badezimmer herausgeschossen kam, weil er einen unberechtigten Elfmeter vermutete. Als wir uns wieder beruhigt hatten, schworen wir, uns nie, nie wieder über Winfried Mohren aufzuregen.

Auf dem Nachhauseweg passierte ich eine Kneipe in meiner Nachbarschaft. „Einen Futschi für jedes EM-Tor“ verspricht die Wirtschaft auf neongrünen Plakaten in ihren Schaufenstern, also einen willkürliche Mischung von Schnapsresten für jeden Ball, der die Torlinie überschreitet. Als ich das Schild wahrnahm, hatte der Wirt seit dem 12. Juni 37 Blindmacher an, sagen wir, 20 Gäste ausgeben müssen. Vermutlich hatte er die EM von 1996 und ihre vier Elfmeterschießen vergessen. Sollte sich diese Situation wiederholen, rechnete ich später nach, käme er ab dem Viertelfinale auf mindestens 740 Futschis bis zum Endspiel. Ich glaube, wir probieren es jetzt einmal mit einem Futschi pro Beckmann-Phrase. Vielleicht hilft das.

CAROLA RÖNNEBURG